Moin.
ich beginne diesen Text am Sonntagabend, den 19. Januar 2025. Hinter mir liegt ein absolut anstrengendes Wochenende, aber die Anstrengung war es wert. Und warum; das will ich hiermit irgendwie einfangen. Mal sehen, ob es gelingt.
Nachdem ich vor einigen Wochen beschlossen hatte, meinen Geburtstag etwas größer zu feiern als mit einer Handvoll Menschen bei mir zuhause, stand nun am vergangenen Samstag eben jene Feier an (und wenn ich „Feier“ schreibe, meine ich ein gemütliches Beisammensein mit Essen und Getränken und guten Menschen). Ich hatte mir im Voraus unglaublich viele Gedanken darüber gemacht, ob es wirklich eine gute Idee sei, ausnahmslos alle Menschen, die ich gern hab – egal, aus welchem Kontext -, zusammen in einen Raum zu setzen und zu schauen, was passiert. Im Endeffekt tat ich genau das; zweifelte an diesem Plan jedoch bis zur letzten Sekunde – genauer sogar noch auf der Feier selbst. Aber ich weiche vom roten Faden ab, den ich mir überlegt habe.
Nachdem also feststand, dass zwischen 20 und 25 Menschen wohl etwas zu viel sein würden, um sie in meine Einzimmerwohnung zu pferchen – das hatte ich letztes Jahr schon versucht; und es war zu anstrengend gewesen, um es wiederholen zu wollen – entschied ich mich für den Vereinsraum vom Bootshaus meines Rudervereins. Das Platzproblem war damit gelöst; und ich rief mir immer wieder ins Gedächtnis, dass ein kurzes Sich zurückziehen dort auch besser möglich sein würde als in meiner Wohnung. Quasi eine Pseudo-Exitstrategie, gegen die Reizüberflutung.
Je näher der Tag rückte, desto mehr Stress empfand ich. Glücklicherweise besuchte mich meine langjährigsten Freundin (Grüße nach Leipzsch; und danke <3) am Freitag, brachte eine Menge an Ruhe mit und trat mir im Laufe der Vorbereitungen immer wieder in den Hintern. Dieses gehetzte Verhalten meinerseits hätte mich noch nie weiter gebracht, und sie hatte Recht. Wir gingen gemeinsam einkaufen, sie half mir enorm beim Kochen und Backen und war ein sehr guter Ruhepol, ohne dessen Anwesenheit ich vielleicht auch einfach nur bis abends paralysiert auf dem Bett gelegen hätte und gestresst gewesen wäre. Ein weiterer Ruhepol ging mit mir nachmittags spazieren, und als ich zurückkam, wurde ich zuhause mit fertigem Abendessen und einer warmen Umarmung begrüßt. Was soll ich sagen? Hilfe annehmen ist noch immer nicht leicht, und ich kam aus dem Bedanken nur bedingt gut wieder heraus. Aber das war auch angemessen so, denn ohne diese Unterstützung wäre mein Freitag in Anarchie ausgeufert. Schlafen konnte ich in dieser Nacht kaum. Wie auch; das Kopfkarussell drehte sich sehr unemrüdlich und produzierte dabei sehr produktiv Horrorszenarien für den anstehenden Tag.
Dieser begann einigermaßen unspektakulär. Aufstehen, einigermaßen entspannt frühstücken und Richtung Bootshaus radeln. Merke; Autos werden auch fast überbewertet, wenn man ein Fahrrad mit Vorder- und Hinterradgepäckträger, sowie genügend Packtaschen besitzt. Trotzdem war ich froh, die Getränkeproblematik outgesourced und eine sehr liebe Ruderkameradin darum gebeten zu haben, mir – mittels eines Autos – das Getränkeshopping abzunehmen.
Vor Ort angekommen war ich zu quasi nichts mehr in der Lage, was mit logischem Denken und pragmatischem Vorgehen hätte erledigt werden können, und ich ging mir damit selbst so dermaßen auf den Zünder, dass ich dafür kaum Worte finden kann. Es wurde meinerseits kurzfristig der Küchenschlüssel für die Vereinsküche verlegt – schon allein deshalb, damit ich auch ja keine Chance zum Atmen hatte – während sich andere um die restlichen Vorbereitungen in puncto Essen kümmerten und mich dabei beobachten mussten, wie ich ziellos durch die Gegend marschierte, alle zwei Minuten ins Nichts starrte, zu überlegen versuchte, was noch anstand und insgesamt nicht mehr wusste, wie man ein funktionierender Mensch war. Übersprungshandlungen, wo man hinsah, aber nun gut. Weiter im Text.
Der Raum füllte sich mehr und mehr, Menschen kamen an, wurden begrüßt, nahmen an einer Art Tafel Platz – Notes to self; Tafeln sind ungünstig, da stauchen sich Gruppen tendenziell stärker – aßen und redeten. Ich versuchte indes, einen Ort zu finden, an dem ich mich aufhalten konnte, und fand keinen. Daher stand ich immer wieder und wieder auf, kochte Kaffee, half noch fix ein paar Ruderern beim Wegtragen ihres Bootes, setzte mich erneut, fand keine Ruhe, stand wieder auf, begrüßte hier, lachte dort, und immer so weiter. Ja; die ersten Stunden waren recht anstrengend, das muss ich leider ungeschönt zugeben.
Doch wie das bei Geburtstagsfeiern so ist, verabschiedet sich irgendwann die Hälfte aus den diversesten Gründen, und man hat Zeit, sich tatsächlich und in (relativer) Ruhe mit den Leuten zu unterhalten. Und so war es auch hier; es hätte auch keinen logischen Grund gegeben, warum es nicht so sein sollte. Ab 19 Uhr blieben ca. zehn Menschen übrig, die alle aus verschiedenen Lebenslagen kamen, sich nur bedingt oder nicht kannten und dennoch miteinander sprachen, respektvolle, gute Diskussionen führen konnten, über ähnliche Witze lachten, ähnliche Liedtexte mitsangen – schon leicht absurd, wenn plötzlich dein Chef mit drei Freund*innen und dir selbst Soundtracks aus einem grandiosen Musical singt – und insgesamt schlicht gut miteinander auskamen.
Das war der Moment, in dem ich begriff, dass hinter der Aussage „Gute Leute erkennen einander“ sehr viel mehr steckt, als man im ersten Moment erahnen kann. Was genau, will ich nun versuchen zu beschreiben.
Zunächst ist da die offensichtliche Ebene dessen, dass man sich in der Regel darauf verlassen kann, dass keine Katastrophe eintritt, wenn man aufgeschlossene und kluge Menschen nebeneinander setzt – irgendwelche Gesprächsthemen werden sie finden. Doch viel wichtiger war in dem Moment die Erkenntnis meinerseits, dass ich nach wirklich vielen Jahren menschlichen Kontaktes auf diesem Planeten tatsächlich ein zuverlässiges und geübtes Radar dafür entwickelt zu haben schien, welche Menschen mir gut tun und ich demnach in meinem Leben halten sollte, solange diese Menschen das zulassen und ich das kann.
Die gesamten Zweifel, die ich vor Samstag hatte, hatten alle den einen gleichen Grundgedanken: „Was, wenn ich mich unter all denen, die ich als Freund*innen ansehe, im Endeffekt nicht gut augehoben und angenommen fühle? Was, wenn ich anfange, mich zu verstellen, damit das nicht geschieht? Was, wenn sie nichts miteinander anfangen können, weil sie nichts gemein haben, weil sie ja nichts gemein haben können, wenn ich als gemeinsamer Grund, hier zu sein, kein gemeinsamer Grund bin, weil ich mich nur verstelle?“
Denn es ist ja nunmal so; wenn wir uns in unterschiedliche soziale Kontexte begeben, verhalten wir uns in jedem einzelnen davon immer ein wenig unterschiedlich. Wie unterschiedlich genau, das spielt dabei keine Rolle. Aber man nimmt in jedem Umfeld eine bestimmte Position ein, verhält sich nie exakt gleich. Und ich hatte vor Samstag verdammt viele Zweifel bezüglich der Rollen, die ich in meinen einzelnen Umfeldern spielte. Wie viel bliebe wohl noch übrig, wenn ich die divergierenden Charakterzüge meinerseits weg kürzte und versuchte, die Hannah zu sein, die in allen Gruppierungen sichtbar war?
Ich verrate es euch gern. Denn allein die Erkenntnis, dass sich meine Gäst*innen untereinander so gut verstanden und ich nicht einmal viel dafür tun musste – eigentlich sogar nichts (danke an Robin an der Stelle; die Gesellschaftsspiele haben vermutlich auch ihren Teil beigetragen) – bewies mir, dass sie alle mehr gemein hatten, als ich zunächst erwartet hatte und gleichzeitig auch, dass ich in allen Umfeldern auch mehr gleiche Verhaltensweisen an den Tag legte als ich befürchtet hatte. Die „Kern-Hannah“ gab es immer, egal mit wem ich Zeit verbrachte. Und das schönste Geschenk an dem Tag war das Gefühl, dass dieser Kern in Ordnung ist und angenommen wird – auch, oder vielleicht gerade weil in ihm ewige Klugscheißerei, viel Albernheit, unverschämte Kommentare, teils etwas zu radikale Ehrlichkeit, unzählige Liedtexte, Zynismus, ein gewisser Sinn für Absurditäten der ganz besonderen Art, eine mal mehr, mal weniger subtile Arroganz und noch einiges anderes stecken.
Ich weiß nicht, ob es mir hiermit gelungen ist, dieses Gefühl einzufangen, aber ich habe es immerhin versucht, und das ist mir verdammt wichtig. Der Samstagabend des 18. Januar war für mich Balsam für die Seele, und all der Stress der Tage davor war und ist es absolut wert. Ich hätte nicht gedacht, dass ich im Nachhinein noch so viel Energie aus einem sozial so anstrengenden Event ziehen kann, aber ich tue das. Warum; das verstehe ich bisher nur bedingt, aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Weniger rationalisieren, mehr Fühlen. Und an dieses wichtige Gefühl komme ich gerade sehr gut heran. Genau jetzt, in diesem Moment, in dem ich diesen Text hier beende. Ganz warm ist es, warm und angenehm und positiv, wie eine Decke, die einem behutsam um die Schultern gelegt wird.
Auf ein neues Lebensjahr. 🙂
Hannah
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