Die Sache mit dem Zweifeln – Pt. II.

Hallo,

es ist Dienstag Abend – zumindest an dem Tag, an dem ich beginne, diesen Text hier zu schreiben – und ich muss unbedingt etwas loswerden. Das klingt so, als müsste ich irgendwem etwas mitteilen; das ist nicht der Fall. Aber ich muss meinen Kopf mal wieder etwas aufräumen – und was hilft dabei besser, als alles, was für Unordnung sorgt, dabei einmal mehr oder weniger ordentlich auszuformulieren? Richtig; nichts, Also; here we go.

Der folgende Text soll eine kleine Reflexion meines akademischen und allgemeinen Selbstbildes werden. Ich weiß zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, ob das gelingt; wir werden sehen. Aber genug der unnötigen Einleitungsworte. Fangen wir an.

Anlass dazu, diesen Text hier zu schreiben, gab mir ein Angebot einer meiner Dozenten an der Uni, das ich am 19. Mai – ja, ich habe nachgesehen, welches Datum es war – erhielt.

Seit vergangenem März arbeitete ich – tatsächlich relativ kontinuierlich und mit kaum prokratinatorischem Leerlauf – an einer Hausarbeit zu einem Seminar in Sprachwissenschaften. Besagtes Seminar hatte ich im Wintersemester belegt und mit ziemlich großer Motivation besucht, denn ich hatte recht schnell festgestellt, dass ich Spaß an den Themen fand, die wir behandelten und dass ich die vorbereitenden Texte schon fast unheimlich gern laß. Es ging sehr viel um theoretisches Zeugs, dass hier irgendwem um die Ohren zu hauen wohl nichts bringen würde – ich sage nur segmentale Phonologie, Merkmalstheorien, Strukturbedingungen -, aber das tut auch nichts zur Sache.

Wichtig ist nur, dass ich von diesem theoretischen Zeugs sehr fasziniert war und ich kaum genug kriegen konnte, und so wunderte es mich kaum, dass ich vor Ende der Vorlesungszeit schon – und somit zum ersten Mal seit Beginn meines Studiums – nicht vor dem Problem stand, nur eine einzige oder gar keine Idee für ein Hausarbeitsthema zu suchen. Nachdem ich mich schweren Herzens für ein Thema entschieden hatte – und zwar nur deshalb schweren Herzens, weil das bedeutete, dass ich mich mit meinen anderen Ideen in diesem Rahmen nicht weiter befassen konnte -, fing ich an, mich so richtig schön in mein gewähltes Thema hinein zu graben – und wenn ich euch jetzt verrate, dass ich zwölf Seiten Hausarbeit über einen einzigen Konsonanten geschrieben habe, muss ich schon fast wieder lachen, weil das alles schon sehr absurd scheint.

Ich recherchierte also und las, machte mir eigene Gedanken zu meiner Fragestellung, fand heraus, dass meine ursprüngliche Frage sehr schnell zu beantworten war, suchte mir eine neue Frage zum gleichen Thema, dachte weiter, schrieb weiter, löschte ganze Absätze, weil sie sich schlichtweg als falsch entpuppten, hatte dafür dann neue Erkenntnisse und schwankte so zwischen zwei Polen hin und her; einerseits wollte ich fertig werden, Antworten auf meine Fragen finden, die Arbeit abgeben, andererseits wollte ich auch nicht aufgeben und aufhören, mir Gedanken zu machen – dazu machte es mir zu viel Spaß. Oh man, was für eine nerdige Aussage.

Der Dozent, der das Seminar gegeben hatte und dementsprechend die Hausarbeit betreute, erklärte mir mündlich und schriftlich mit scheinbar unermüdlicher Geduld Probleme, die ich nicht verstand, gab mir neue Anstöße und machte alles in allem einen ziemlich guten Job.

Und – und die Tatsache, dass ich es hasse, den folgenden Satz zu schreiben, ist auch gleichzeitig der Grund, warum diese Reflexion hier dringend nötig ist – ich scheine auch keinen schlechten Job gemacht zu haben, denn an besagtem 19. Mai wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, meine in der Zwischenzeit zu einem bachelorarbeitswürdig-großen theoretischen Thema herangewachsene Hausarbeit auf der Langen Nacht der Wissenschaften vorzustellen. Achtung; damit ist nur das Thema gemeint. Die Arbeit war und ist sehr, sehr weit davon entfernt, bachelorarbeitswürdig zu sein – aber wenn ich könnte, würde ich das gern ändern. Kann ich leider nicht; also weiter im Text.

Ab da fing das Kernproblem, das dieser Text hier darstellen soll, eigentlich erst an, so richtig sichtbar zu werden.

Faktisch, also rein rational, wusste und weiß ich, dass es mir im Vergleich zu meinen Kommiliton*innen relativ leicht fällt, theoretische Linguistik zu begreifen. Ich schiebe das dann gern auf mein Mathestudium, erkläre, dass logisches Denken und Abstraktionsvermögen etwas ist, dass man in der Mathematik lernt und ich als Mathematik- und Deutschstudentin daher einen Vorteil gegenüber meinen Mitmenschen mit Fächerkombinationen der Art Mathe plus Geisteswissenschaft habe, weil ich die Logik-Keule schon viel früher übergezogen bekommen habe.

Ich weiß – rein rational – auch, dass nicht alle Studierenden aus meinem Seminar gefragt worden sind, ob sie ihre Hausarbeiten nicht bei der Langen Nacht der Wissenschaften vorstellen wollen.

Und ich weiß – rein rational – auch, dass meine Hausarbeit nicht schlecht geworden ist.

Der Haken an der ganzen Geschichte:

Rein rational weiß ich offenbar eine Menge. Aber wenn es darum geht, aus diesem eigentlich vorhandenen Wissen über eigene Stärken ein dementsprechendes mindset zu generieren, habe ich noch sehr, sehr viel Übung nötig.

Es schleichen sich nämlich – gern nach kleineren oder größeren Erfolgsmomenten – ein paar kleine, miese, fiese Gedanken in mein rein rationales Wissen. Hier eine kleine Kostprobe dieser Gedanken:

„Wenn du deine Hausarbeit vorstellst und einen Fehler machst, merkt alle Welt sofort, dass die Arbeit gar nicht so gut ist, wie du dir selbst einredest.“

„Bist du sicher, dass du das schaffst? Andere Arbeiten waren sicher auch gut, die Anfrage kann auch nur an dich gerichtet worden sein, weil du am längsten gebraucht hast.“

„Wenn du den Vortrag vermasselst, wirst du sehen, dass du dir nur selbst eingeredet hast, dass dir das Thema liegt.“

Kurzum: Die Aussagen der Gedanken sind nicht besonders vielfältig und kreativ, dafür aber umso eindeutiger: „Du kannst das nicht, und wenn du es doch versuchst, wird sich zeigen, dass du es nicht kannst.“

Spoiler: Die Lange Nacht der Wissenschaften hat am vergangenen Samstag, den 2. Juli stattgefunden, und offensichtlich bin ich nicht von der Meute zerfleischt worden.

Trotzdem treiben mich diese Gedanken in einen ganz schönen Zwiespalt hinein. Einerseits möchte ich das Gefühl, an etwas Spaß zu haben und dann auch noch gut darin zu sein, nicht verlieren. Andererseits gibt es da offenbar diesen nicht unwesentlichen Teil meines Unterbewusstseins, der ein Problem damit hat, eigene Stärken wertzuschätzen und diese nicht runterzumachen oder anzuzweifeln. Ich schiebe das tatsächlich ein wenig auf die nun schon fast drei Jahre andauernden Pleiten des Mathematikstudiums, das mir nicht liegt und für das mir so auch leider nach und nach die Begeisterung abhanden gekommen ist. Wer hauptsächlich keine guten Leistungen erbringt, der hegt vermutlich schneller Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten, wenn er dann doch einmal abliefert. Und dass darin ein ganz anderes, weiteres Problem liegt – nämlich eine abermalige zu starke Identifikation mit Leistungen -, ist mir auch klar. Aber das ist vielleicht ein anderes Thema, oder zumindest eines, um das ich mir jetzt keine Gedanken machen möchte.

Abgesehen von der Mathematik fällt es mir wahnsinnig schwer, mich selbst und mein eigenes Können selbst zu bestätigen. Das hat tiefer liegende Ursachen, die ich nicht in diesem Text hier ausbuchstabieren möchte, aber oberflächlich würde ich es so zusammenfassen, dass ich es kaum schaffe, etwas als meine Stärke anzusehen, wenn ich nicht mindestens einmal von außen die Rückmeldung erhalten habe, dass es sich bei besagter Fähigkeit auch tatsächlich um eine Stärke handelt; dass ich dieses und jenes gerade auch wirklich gut mache und ein Anrecht darauf habe, stolz auf meine Leistung und mein Können zu sein.

Dass aus diesem Mangel an Selbstwirksamkeit ganz schnell Selbstzweifel entstehen können, ist nichts, wofür man Psychologie studiert haben muss. Es reicht ein Mindestmaß an Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion.

Leider ist die Uni nicht der einzige Ort, an dem ich diesen Mangel zu spüren bekomme.

Im März habe ich den – wirklich wahnsinnigen – Schritt gewagt, mich als Vorsitzende meines Rudervereins zur Wahl zu stellen. Und naja, nachdem der Posten seit 2020 vakant war, ist es nicht allzu überraschend, dass ich die Wahl einstimmig gewonnen habe. Dass sich seitdem die Meisten im Bootshaus immer sehr über das gefühlte Dutzend an Mails freuen, die ich wöchentlich so verschicke, ist dementsprechend auch kein Wunder – soweit zumindest meine Theorie.

Daraus folgt nun das nächste, selbst konstruierte Problem:

Freuen sich alle, dass ich das Amt übernommen habe, weil ich den Job gut mache? Oder freuen sie sich, dass es überhaupt irgendwer macht? Letzteres ist nach zwei leitungskräftelosen Jahren in der Geschichte dieser kleinen Sportgemeinschaft nicht wirklich abwegig. Und dass das die Zweifel an meinen eigenen Fähigkeiten und meiner Eignung für dieses Amt nicht wirklich verringert, ist nach oben aufgedröselten Gedanken meinerseits auch naheliegend.

„Warum solltest du es besser machen als andere Menschen, die sich vielleicht nur deshalb nicht zur Wahl gestellt haben, weil sie Besseres zu tun haben? Die breite Masse hätte sich über jeden Menschen gefreut, der das Amt übernimmt; nimm dich nicht zu ernst.“; bla, bla, bla.

Anstrengend, dieses Zweifel-Gelaber im eigenen Kopf zu haben; ganz ohne Zweifel. Ha, witzig, versteht ihr? Wegen Selbstzweifeln und so; Selbstzweifel sind ohne Zweifel anstrengend. Okay, ich sollte immernoch damit aufhören, ungefiltert alles aufzuschreiben, was ich denke. Vielleicht aber auch nicht.

Und jetzt? Was tue ich jetzt mit dieser Erkenntnis?

Zu allererst halte ich sie hier fest. Das ist aus mehreren Gründen wichtig.

Sie drehen sich jetzt nicht mehr in meinem Kopf im Kreis.

Und: Dadurch, dass ich das Ganze jetzt einmal aufgeschrieben habe, fühlt es sich so an, als hätte ich gegenüber irgendwem festgehalten, dass ich an diesen Zweifeln dringend arbeiten muss. Nicht, dass ich das nicht vorher schon gewusst und auch gesagt bekommen hätte, aber es einfach mal Wort für Wort aufzudröseln, hat – mal wieder – etwas Selbstbestimmtes; und es gibt mir das Gefühl, dass im Endeffekt immernoch ich die Kontrolle darüber habe, wie ich von mir selbst denke, schließlich habe ich ja auch hier die Kontrolle darüber, was ich über mich selbst schreibe und was ich dadurch auch internalisiere – zumindest bis zu einem gewissen Punkt.

Ich gelobe also nicht, mich zu bessern. Das würde eventuell dazu führen, dass ich Ansprüche und Erwartungen erhebe, denen ich nicht gerecht werden kann, was wiederum zu zu harscher Selbstkritik führen könnte. Lassen wir das also.

Aber ich habe es festgehalten; mein Problem mit den Zweifeln. Das macht es real, greifbar, und vor allem macht das, dass ich mit meinen Gedanken dazu jetzt vielleicht etwas mehr anfangen kann.

Mal sehen, was ich daraus mache.

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